ESSAY-BRIEF

Essay-Brief Februar 2015

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„Die Dualität transformieren“ - 12. Kommentar zur Bhagavad-Gita

© Bernd Helge Fritsch

 

Im letzten Essay-Brief haben wir uns mit der dualen Sicht auf die Welt sowie mit der Göttlichkeit des Menschen beschäftigt. In diesem Brief wollen wir die Wege zur Transformierung der dualen Denkweise aufzeigen. Mit dieser Veränderung eng verbunden ist die Auflösung des Egos, welches die Ursache von allen Problemen, Nöten von Ärger und Ängsten der Menschen ist.

Im Göttlichen Ruhen

Wie wir in der Gita lesen, handelt derjenige, der mit seinem göttlichen Seelengrund verbunden ist weder „gut“ noch „böse“. Er handelt jenseits solcher Bewertungen im Einklang mit dem universalen Bewusstsein. Er macht sich keine unnötigen Gedanken über „richtig“ und „falsch“ oder darüber ob er „Gewinn“ oder „Verlust“, „Lob oder Tadel“ ernten wird. Er genießt den Frieden, die Liebe, die Schönheit und Vollkommenheit des Augenblicks. Auf dieser Bewusstseinsebene gibt es keinen Stress, Negativität, Hässlichkeit oder Mangel.

2:50 Wer mit seinem Geist im Göttlichen ruht, geht über das duale Beurteilen hinaus. Er handelt weder gut noch böse. Strebe daher nach dieser Klarheit des Yoga.

 

Die Lehre der Bhagavad Gita ist vorzüglich darauf ausgerichtet das Bewusstsein des Menschen für seine Einheit mit seiner individuellen und der allumfassenden Gottheit (Atman/Brahman) zu öffnen.

Karma- und Jnana-Yoga

Die Gita betont zwei Wege um über die Dualität hinauszugehen und wieder Eins zu werden mit dem Ursprung aller diesseitigen und jenseitigen Kräfte:

3:3 Es gibt zwei Pfade für die Befreiung: Jnana-Yoga, den Weg der Erkenntnis und Karma-Yoga, den Pfad der selbstlosen Werke.

 

Der Weg des selbstlosen Wirkens (Karma-Yoga)

Wiederholt fordert Krishna Arjuna auf seine Pflichten selbstlos zu erfüllen. So lesen wir im zweiten Kapitel:

2:48 Erfülle deine Pflichten frei von Begehren und Ablehnung. Bleib unberührt von Erfolg und Misserfolg. Solche Gelassenheit wird Yoga genannt.

2:49 Zu bedauern sind jene, die nur nach eigensüchtigen Erfolgen trachten. Suche Zuflucht im Geist, der mit dem Selbst verbunden ist.

 

Der „Selbstlose“ erfüllt heiter und gelassen die Aufgaben, die das Schicksal an ihn heranträgt. Er gibt sein Bestes und überlässt alles Weitere der Weisheit des universalen Bewusstsein (Atman/Brahman). Er macht sich keine Sorgen, nimmt alles was kommt friedvoll an und vertraut der Vollkommenheit des göttlichen Seins.

3:10 Der Mensch wurde von dem Herren zum selbstlosen Handeln geschaffen. Durch dieses sollte er fruchtbar sein. So wird er letztlich die Erfüllung aller seiner Wünsche finden.

3:15-16 Selbstloses Handeln, Arjuna, hat in Brahman, dem Universellen Gott seinen Ursprung. Wer nicht ebenfalls in diesem Sinne wirkt, der vergeudet sein Leben.

3:20 Janaka (weisheitsvoller König im alten Indien) und andere erreichten die höchsten Bewusstseins-Stufen indem sie selbstlos ihre Pflichten erfüllten. So solltest auch du deinen Aufgaben entsprechen.

 

Durch selbstloses Dienen, zeigen wir Dankbarkeit und befreien uns von und den Problemen des Egos.

6:3 Um Yoga (Klarheit des Geistes) zu erreichen ist selbstloses Dienen erforderlich. Ist Yoga erreicht so kannst du den Pfad der Meditation, den Pfad der Stille und des Friedens beschreiten.

 

Solange der Mensch in seine vom Ego bestimmten Interessen verstrickt ist, kann er in sich keinen Frieden und keine Stille finden. Erst wenn die Seele gereinigt ist von den Wünschen des Egos, kann tiefe Versenkung in der Meditation erfolgreich sein.

So erklärt auch Patanjali, in den berühmten Yoga-Sutras, dass

eine grundlegende Basis für die weiteren Stufen des Raja (königlichen)-Yoga-Weges bilden.

 

Der Weg der Erkenntnis (Jnana-Yoga)

Zur Erkenntnis gehört vorzüglich

a) die Einsicht, dass alle Freuden des Körpers und des Mentals (Denken, Fühlen, Wollen) mit ihrer dualen Kehrseite, also mit Leid und Schmerz innig verbunden sind;

b) die Unterscheidung zwischen den vergänglichen, sinnlichen Erscheinungen und dem unvergänglichen Seelengrund.

2:14 Sinnliche Wahrnehmungen führen zu Lust oder Schmerz. Diese Erfahrungen kommen und gehen wie Sommer und Winter. Lerne sie geduldig zu ertragen, Ardjuna.

2:15 Jene, die gegenüber Freude und Leid gelassen in sich ruhen, sind wahrhaft weise und werden Befreiung erlangen.

 

Die niedere Natur des Menschen (das Ego) ist verstrickt in die äußeren Erscheinungen. Sie vermeint in ihnen ihr Glück zu finden. Deshalb versucht sie immer wieder das Angenehme zu erlangen und dem Unangenehmen auszuweichen. Doch wie jeder früher oder später erfahren wird, ist dies ein vergebliches Bemühen. In der äußeren Welt gibt es keine Lust ohne Leid, kein Gewinnen ohne Verlieren, kein Werden ohne Vergehen.

Der unwissende Mensch läuft einer Illusion (Maya) hinterher. In der hinduistischen Mythologie symbolisiert die Göttin „Maya“ die Urheberin der großen Täuschung. Sie verursacht im Bewusstsein des Menschen die Trennung von der Einheit.

7:13 Getäuscht von den drei Erscheinungsweisen der Natur (Gunas – Sattva, Rajas, Tamas) können die Menschen mich (Krishna), der ich über den Erscheinungen stehe und unvergänglich bin, nicht erkennen.

 

Näheres zu den „Gunas“ findest du im Essay-Brief vom Okt. 2013 unter:

http://www.berndhelgefritsch.com/bhagavad-gita3.html

7:14 Diese göttliche Täuschung (Maya) ist schwer zu überwinden. Doch diejenigen, die ernsthaft wahren Yoga vollziehen, können die Maya durchschauen.

 

Man kann die Maya der Erscheinungen gut mit einer Fata Morgana in der Wüste vergleichen. In den heißen Luftschichten über dem Sandboden spiegelt sich der blaue Himmel. Dadurch kann jemand, der in der Wüste herum irrt, sich einbilden dort Wasser zu finden. Nur wer entsprechende Erkenntnis hat, lässt sich nicht täuschen und wird nicht enttäuscht.

Die Welt, wie der Mensch sie gewöhnlich wahrnimmt, hat eine große Ähnlichkeit mit unserer Traumwelt. Solange wir träumen halten wir die Erlebnisse im Traum für die Wirklichkeit. Erst mit dem Erwachen endet diese Illusion. In gleicher Weise glaubt der „normale“ Mensch dass die Welt, wie sie in seiner dualen Denkweise erscheint, die Wahrheit repräsentiert. Erst wenn er „erwacht“, wird er sich seiner Illusionen bewusst.

 

Die Unterscheidung von vergänglich und unvergänglich

Es gilt zu erkennen, dass alle Erscheinungen auf dieser Erde vergänglich sind und daher nur eine beschränkte Wirklichkeit besitzen. Die mit ihnen verbundenen Freuden sind wie Wellen auf dem Ozean. Sie kommen und gehen und können die wahren Bedürfnisse der Seele nicht befriedigen.

Wer die tiefen Gefühle von Freude und Liebe des Selbst erfahren durfte, für den verlieren Besitz, Erfolg, Sinnesfreuden und sonstige Dinge, die dem normalen Menschen so wichtig sind, ihre magische Anziehungskraft. Er kann sie zwar noch immer als Schauspiel mit einem Lächeln genießen, doch er hängt nicht an ihnen und leidet nicht, wenn sie vergehen. Er begegnet äußeren Erscheinungen – ob erfreulich oder unerfreulich – mit heiterer Gelassenheit.

Wie im Matthäus-Evangelium gleichnishaft geschildert, versucht er nicht sein Haus auf dem Sand der Erscheinungen, die kommen und gehen, zu bauen, sondern er findet immerwährende Seligkeit (Ananda), Frieden und ewiges Leben auf dem stabilen Felsen des Unvergänglichen. (Mat. 7,24-27).

Das Göttliche zu dem unser „Selbst“ (Atman) gehört, ist unvergänglich. Wenn der Mensch stirbt, so denkt nur der Unwissende, dass mit ihm auch seine Seele vergeht. Für den „Wissenden“ ist der Körper, nur eine Wohnung, welche die Seele für die Dauer des Erden-Lebens benützen darf. Nach dem Tod des Körpers sucht sich die Seele, getragen vom Selbst, eine neue „Wohnung“ in der sie ihre seelisch- geistige Entwicklung fortsetzen kann.

Allein diese Erkenntnis hat eine befreiende Wirkung. Wovor sollten wir noch Angst haben? Wir können in dieser Welt nichts verlieren, nur lernen und gewinnen.

Näheres  zur Unvergänglichkeit der Seele und über ihre Wanderung von Körper zu Körper, findest du im Essay-Brief vom Juli 2014 unter:

http://www.berndhelgefritsch.com/seite73.html

 

Herzliche Grüße

Bernd